Carmen Hohlfeld, Ludwigsfelder Bote
NN, PNN
Hans Axthelm
Wer, abgesehen von den paar alten Kerzendorfern und im
günstigsten Fall noch einigen aufgeschlossenen Ludwigsfeldern, zu denen
auch Birk gehört, interessiert sich schon für die Geschichte dieses
märkischen Gutsdorfes? Bei herkömmlichen Chroniken mag das so sein,
doch Birk setzt aus unzähligen Puzzle-Teilen die Geschichte dieses Dorfes
so spannend und kurzweilig zusammen, daß der historisch Interessierte
bereits nach den ersten Seiten von den Geschehnissen fasziniert ist.
Punktgenaue Daten ersetzt er leserfreundlich durch "früher" oder
"eines Tages", hält nur wenige wirklich wichtigen Daten der
Ortsgeschichte präsent. Er zwingt nicht zum kontinuierlichen Lesen, schon
gar nicht zum Studieren, verschafft schon dem 5-Minuten-Leser Vergnügen.
Schulgeschichten aus der Zeit, als die Kinder noch auf den Lehrer hörten,
zaubern betagten Lesern ein verträumtes Lächeln auf das greise
Gesicht, auch wenn sie nicht in Kerzendorf das Abc erlernten. Das Alltagsleben
im Wandel der Zeit, Volks- und Aberglaube, Bauernschläue und Bauemwitz,
alles weckt die Erinnerung an längst Vergangenes. Dabei tritt der
eigentliche Aktionsort in den Hintergrund. Geschichte wird lebendig.
Birk beleuchtet die Geschichte einzelner Bauernfamilien ebenso objektiv wie die
der jüdischen Bankiersfamilie von Schwabach, die für Kerzendorf eine
geradezu schicksalhafte Bedeutung hatte. Mit ganzen drei Seiten zuzüglich
der Lebensgeschichte der langjährigen Bürgermeisterin kommt die
DDR-Zeit allerdings erheblich zu kurz. An Bildmaterial hat der Autor
überaus Interessantes zusammengetragen und räumt ihm berechtigt viel
kostbaren Platz ein. Im Fototeil lebt dann auch die jüngere Vergangenheit
kurz auf. Am Schluß findet sich neben einem reichhaltigen Anhang mit
Namen und Statistiken sogar noch ein liebevoll zusammengestellter Farbbildteil
vom heutigen Kerzendorf, aus dem man den Stolz der Einheimischen auf ihr
Schmuckstück ablesen kann.
Carmen Hohlfeld, Ludwigsfelder Bote, 24.03.99
Der Historiker Dr. Gerhard Birk hat mit seinem Buch "Kerzendorf" den
geglückten Versuch gemacht, einen weiteren Mosaikstein märkischer
Geschichte aufleuchten zu lassen. Mit "Kerzendorf" in der Reihe
"Verwehte Spuren" ist in beispielhafter Dichte eine Dokumentation zu
Leben und Kultur unserer Altvorderen im ländlichen Umfeld entstanden.
Eine einmalige Sammlung eindrucksvoller Fotografien und Dokumente sowie
historischer Rekonstruktionen, vom Autor anhand akribischer Archiv- und
Feldstudien zusammengetragen und durch zahlreiche Interviews mit den
ältesten Einwohnern ergänzt, geben einen lebendigen Eindruck in das
einfache dörfliche Leben früherer Zeiten. Kerzendorf ermöglicht
darüberhinaus durch die Darstellung hochherrschaftlicher Lebensart der
ehemaligen Gutsherren (Dr. Paul von Schwabach, Lali Horstmann) bzw. in dem
inzwischen zerstörten Schloß auch einen eindrucksvollen Blick auf
das Leben des Hochfinanzadels. Neben detailgenauen Schilderungen historischer
Zusammenhänge und Fakten sind auch interessante Familiengeschichten, Sagen
und Anekdoten zusammengetragen, die das Buch informativ, kurzweilig und
lesenswert machen. Historische und aktuelle Karten und Luftbilder eröffnen
zudem dem interessierten Betrachter bisher unbekannte Sichten auf Kerzendorf
und sein Umfeld. Das Buch stellt sowohl für allgemeininteressierte
Einwohner Brandenburgs, als auch kulturhistorisch ambitionierte Leser
deutschlandweit eine wahre Fundgrube an Informationen und Anregung für
eine Bildungsreise dar.
NN, PNN, 07.07.98
Das wenige Kilometer südöstlich von Ludwigsfelde im jetzigen Kreis
Teltow-Fläming gelegene Runddorf, erstmals 1378 urkundlich erwähnt,
kommt mit einer Einwohnerzahl von 183 (1997) dem Stand von 1840 gleich und
steht stark im Bann des aufstrebenden Industrie-, Geschäfts- und
Wohnzentrums Ludwigsfelde. So verwundert zunächst Umfang und Aufwand der
eben erschienenen Ortschronik, gefördert von einigen privaten und
staatlichen Institutionen. Auch in früheren Zeiten ist die Zahl der
Dorfbewohner nie nennenswert über 300 angestiegen, abgesehen von 1945/46,
als, bedingt durch die Flüchtlinge aus den Ostgebieten, sogar die 1000
erreicht wurde. Doch etwas anders als diese über Jahrhunderte im
wesentlichen konstant gebliebene Einwohnerzahl verliefen die geschichtliche
Entwicklung und die struktuellen Veränderungen des Dorfes. In dem
vorliegenden Buch werden gewissermaßen kaleidoskopisch sowohl textlich
wie auch bildmäßig die Epochen dieses märkischen Dorfes
anschaulich dargeboten. Abgesehen von dem mehrfachen Besitzwechsel, nach dem
Ausscheiden aus dem Amt Zossen waren es namhafte märkische
Adelsgeschlechter, blieb es bis um 1750 Lehnsdorf. Ein Minister Friedrichs des
Großen, von Dorville, ließ sich 1756 das barocke Gutshaus erbauen,
welches, mehrfach verändert, am 5. September 1943 bei einem Bombenangriff
ausbrannte. Das Schicksal des Dorfes und seiner Bewohner in den letzten 250
Jahren vor Augen zu führen, war das Hauptanliegen des Autors. Er ging zu
den noch ansässigen alten Familien, auch suchte er die Nachfahren des
letzten Gutsbesitzers auf, die nach 1945 den Ort verlassen mußten, und
konnte so ein umfangreiches Fakten- und Bildmaterial zusammentragen, das dem
Leser ein unwahrscheinlich lebendiges und vielseitiges Bild vom dörflichen
Leben und den menschlichen Beziehungen von der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts über die DDR-Zeit hinweg bis zur Gegenwart vermittelt. Das
Leben der seit 1850 in Kerzendorf ansässigen bekannten jüdischen
Berliner Bankiersfamilie von Schwabach (Paul von Schwabach starb am 17.
November 1938 daselbst), aber auch das der Dorfbewohner (Lehrer, Fahrer,
Bauern, Tagelöhner u.a.) findet eine reiche textliche und bildliche
Erwähnung. Gutshaus und Park sind bis auf wenige Überbleibsel (einige
versetzte Plastiken und der Teich) verschwunden. Die Zuschreibungen an Georg W.
von Knobelsdorff und Jacques Francois Blondel durch den Verfasser sind wohl nur
auf Grund der Funktion des Erbauers als Minister Friedrichs des Großen
erfolgt. Eindringlich sind die wiedergegebenen Erlebnisse der Bewohner um und
nach 1945, episodenhaft die weitere Nachkriegszeit, vornehmlich mit einem
lesenswerten Abschnitt über die langjährige Bürgermeisterin Ilse
Dreke (1967-1990), geschildert. Nochmals viele Abbildungen und Sachangaben
beschließen diese Ortsbiographie.
Kritisch, doch mehr im positiven Sinne sei vermerkt: das ist keine nur
chronologisch und ausschließlich streng nach wissenschaftlichen Fakten
und Urkunden aufgereihte ortsgeschichtliche Darstellung, die Menschen, ihre
Schicksale und Erlebnisse sprechen jeweils für ihre Zeit. Anekdoten, Sagen
und Legenden haben ebenso ihren Platz in dieser mosaikartigen Gestaltung der
620jährigen Geschichte des Dorfes, das am 1. Januar 1998 mit der Stadt
Ludwigsfelde verwaltungsmäßig zusammengelegt worden ist. Möge
diesem typisch märkischen und organisch gewachsenen Dorf am südlichen
Stadtrand von Berlin dieser Charakter noch lange Zeit erhalten bleiben. Dazu
sollten diese von dem Historiker Dr. Gerhard Birk zusammengetragenen
"Verwehte(n) Spuren Kerzendorf" weit über die 183 Einwohner des
Ortes hinaus auch im Umland angemessene Beachtung finden.
Hans Axthelm, Mitteilungsblatt der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg, Januar 1999
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