Wie ist es nur möglich, daß ich einen derartigen Rückfall
erlebe. Habe ich mir nicht geschworen, mich keinem Mann mehr zu unterstellen?
Andererseits, unterstellt habe ich mich ja im Grunde nicht, nur dem Rausch der
Intimität habe ich mich wiederum ausgeliefert, dem Genuß, den eigenen
Körper zu fühlen, in Harmonie mit einem anderen Körper, auf
dessen Regungen man antwortet, oder die man überholt, und dann antworten
die Regungen des anderen, und beider Regungen eilen einem Ziel zu, das
entspannend und befreiend wirkt. – Man ist dem Archaischen, dem
Biologischen verbunden, der Allmacht Natur. Es ist etwas Konkretes und zugleich
Abstraktes, das Gegenüber, die Ergänzung, der Gegenpol. Es ist ein
bestimmter Mensch, und der Mann schlechthin, der einem fremd bleibt, aber auch
vertraut wird durch die Körpernähe. Ein unverzichtbares Erlebnis,
man wird krank, wenn man es nicht hat, verkümmert vollständig,
verliert Lebenslust und Lebenskraft. Gewiß, Laura hat mir ähnliches
zu geben vermocht, aber immer hatte ich das Gefühl von so etwas wie
Erbarmen auf ihrer Seite, sie gab mir ab von ihrem Reichtum, und ich blieb
eigentlich hinter ihr zurück. Natürlich war es auch die Neugierde auf
das Erlebnis des eigenen Geschlechts, natürlich habe ich auch Lauras
Glück gesehen, wie ihr Gesicht schön wurde, wie sie erblühte,
wenn es ihr geschah. Aber wenn sie gegangen war, blieb in mir das Gefühl
von Unnatur, vom Überschreiten einer Grenze, von etwas, was eigentlich so
nicht sein dürfte. Bei Erich ist alles natürlich, normal,
selbstverständlich.
Wäre ich nicht sehr klug, wenn ich das Zusammentreffen mit ihm
genösse, ohne mir für die Zukunft etwas vorzustellen? Kann ich nicht
den Augenblick nehmen, hundertprozentig, hic Rhodus, hic salta, das hatte ich
bei Xaver einmal gedacht, auch bei Xaver war alles hundertprozentig und ging
doch verloren. Geht einem jede Liebe verloren? Sei es durch Trennung, oder
durch Gleichmaß und Langeweile in der Ehe oder durch Untreue, kommt es
wirklich hauptsächlich darauf an, welche Form das Zuendegehen annimmt?
Damit man den Menschen unverstellt und unbeschädigt behalten kann in
seinem Innern, das Bild von ihm, das man einmal hatte, die Art, wie er sich
einem darstellte, und die eigene Auffindung seines Wesens, was alles zusammen
das ›Du‹ dann ein für allemal in deiner Seele als einen
Schatz, als einen Gewinn zurückläßt? Wie glücklich sind
Frauen dran, die nur eine Liebe in ihrem Leben haben. Oder die von allem nur
die Oberfläche erleben! Die nur ihr Gefühl lieben, und das Objekt
ihrer Gefühle mag wechseln? – Ich werde sehen, wohin es mich treibt.
Gibt es einen ›Anteil der Liebe an der Menschwerdung der Frau?‹
Gewiß. Jedenfalls möchte ich mir alles früher Erlebte nicht
wegdenken, und wäre sicher auch heute nicht in der Lage, das
Verhältnis zu Gruner aufleben zu lassen – und ihn dann wieder
loszulassen. Das ist es vielleicht, was ich lernen soll.
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