Johannes M. Simmel
Marcel Brun-Villain
Anne Fritzsche
Fritz-Rudolf Fries
Horst Heitzenröther
Ihr Buch "Zeit-Besichtigung" ist "für alle
Menschen, die sich an die Vergangenheit erinnern und von ihr hören wollen,
weil sie sonst verdammt sind, diese zu wiederholen" eine absolute Fundgrube.
Sehr selten habe ich in so konzentrierter Form über unsere jüngste
Vergangenheit soviel erfahren.
Begeistert bin ich von den vielen Feuilletons und Reportagen aus 70 Jahren in
Ihrem Buch. Es ist die reine Wahrheit, und ich bitte Sie, mir zu glauben, dass
ich bei vielen Beiträgen immer wieder an Egon Erwin Kisch erinnert worden
bin. Es ist eine grosse Ehre für mich, dies sagen zu dürfen. Es ist
für Sie eine ungleich grössere Ehre, dass niemand, der diese
Reportagen liest, etwas anderes sagen kann als ich.
Johannes M. Simmel, Zug 20.06.2003
In Ihrem Buch "Zeit-Besichtigung" habe ich
mich schon beim ersten Herumblättern tüchtig festgelesen, nicht
zuletzt auch deshalb, weil sich gerade Ihre Reportagen aus den allerersten
DDR-Jahren aus heutiger Sicht als ein beachtliches Stück
Geschichtsschreibung erweisen. Schon aus diesem Grunde halte ich es für
sehr wichtig, dass derlei Zeugnisse Dabeigewesener möglichst von diesen
selber noch einmal übersichtlich und chronologisch zusammengestellt und
herausgegeben werden. So laufen diese ursprünglich in allen möglichen
weit verstreuten Zeitungen und Zeitschriften erschienen Zeitgeschichtlichen
Dokumente, doch etwas weniger Gefahr, definitiv verloren zu gehen. Sie in
dieser Form "aufzuheben", halte ich vor allem auch deshalb für
sehr wichtig, weil ich der festen Überzeugung bin, dass man sich im
deutschen Landen nicht darum herumkommen wird, sich eines Tages doch noch
einmal sehr intensiv mit der DDR zu befassen. Dann wird man auf realistische
Berichte über das, was unterhalb der "hohen Politik" geschah,
nämlich über den Alltag und die konkreten Haltungen und Sorgen der
Bevölkerung, zwingend angewiesen sein wird.
Vielleicht wird derlei "Geschichtsschreibung von unten" ein bisschen
dazu beitragen können, dass die Nachgeborenen, statt unsere damaligen
Dummheiten und Fehler blindlings zu wiederholen, wenigstens ihre eigenen neuen
begehen werden.
Marcel Brun-Villain, Dreesch 14. Mai 2003
Die Einleitung und viele Reportagen und Feuilletons der
"Zeit-Besichtigung" habe ich inzwischen gelesen. Sie sind einfach
wunderbar, weil sie uns in eine ganz andere Zeit versetzen, uns vergangene,
auch schwere Zeiten vor Augen führen, aber dabei trotzdem immer voller
Zuversicht sind. So habe ich es empfunden. Das Buch müßten wirklich
viele Menschen lesen.
Anne Fritzsche, Berlin
Diese Sammlung scheinbar zufälliger Prosa ergibt
heute ein Portrait der Autorin und einen Abdruck der Zeit, die der unseren in
vielen Dingen unheimlich nahe steht.
Fritz-Rudolf Fries
Die "Zeit-Besichtigung" hat seit der ersten
Teil-Lektüre ständige Faszination auf mich ausgeübt. Leider ist
das Lesen von Büchern z.Zt. nur in den Wartezeiten möglich, die ich
bei meinen Ärzten, Fußpfleger, Frisör usw. sowie als Begleiter
bei denen meiner Liebsten verbringe. Da kann ich als Erstes sagen, ich giere
jedes Mal regelrecht darauf, wieder zur Lektüre des Buches zu
kommen… Ich glaube, dass ich mich jetzt durch das ganze Buch gelesen
habe, durch eine ganze Anzahl von Beiträgen drei Mal.
Ich bin sicher, dass ich zu den gebanntesten Lesern von Elfriede Brüning
gehöre. Und ich halte es für ein Positivum, von den mehrfach
gelesenen kleinen Beiträgen jedes Mal neu gefesselt gewesen zu sein. Ob es
da um einzelne Menschen in bestimmten Lebens-Situationen geht oder um
Gesellschaftliches in Industrie, in Mode, auf dem Lande, im Handwerk, in
Warenhäusern, Läden, medizinischen und sozialen Institutionen, um
Jugendleben in verschiedenen Zeit-Abschnitten usw., es entsteht immer ein
lebendiges, Einfühlung (auch Mitfühlen und gegebenenfalls
Mit-Empörung) vermittelndes Bild von der Sache und den Zuständen. Und
es entsteht ein Bild von der Schreibenden als einer Reporterin aus Instinkt und
Gefühl und einer Schriftstellerin von ganz ursprünglichem,
ungekünsteltem Talent. Wenn sie reportierend über Andere schreibt,
ist sie selbst immer spürbar anwesend, nie als neugierig Fragende, sondern
eher wie ein Teil des dargestellten Ganzen. Wenn sie kleine Feuilletons
(Lokalspitzen) schreibt, fühlt man sich animiert von einer ganz eigenen
lakonischen Poesie. Beide - die Reporterin und die Schriftstellerin - verbinden
sich eindrucksvoll in den Berichten von persönlichem Erleben, beginnend
mit denen von Ausflügen in der Jugendzeit:
Dass die Offenheit - verstehbar als Rückhaltlosigkeit auch gegen sich
selbst wie als Offensein für die Probleme Anderer -, die in Brünings
Autobiographie "..und außerdem.." zum Ausdruck kommt, ihr
tatsächlich ein Leben lang zu eigen war, wird gut erkennbar, weil die
Sammlung ja ein Querschnitt durch diverse von ihr - und vielen ihrer Leser -
erlebte Zeitströmungen ist. Lesern wie mir ist da viel Wieder-Aufleben und
Wieder-Erkennen gegönnt. Aber auch unbekannte Einzelheiten aus dem alten
Berlin berühren Einen, der seit März 1939 bekennender Berliner ist,
persönlich…
Die Gegenstände der Betrachtungen durch die Zeiten hindurch sind
natürlich von unterschiedlicher Bedeutung, unterschiedlichem
Erkenntniswert für den Leser, dementsprechend auch unterschiedlich in der
Intensität, die Brüning für sie aufwendet (wobei sie nie etwas
läppisch oder im Nebenbei abhandelt). Aber sie fügen sich doch wie
Mosaiksteinchen zu einem Gesamt-Dokument, einem Zeit-Dokument, das für
eine große Leserschaft interessant sein müsste.
Vor nun schon langer Zeit begann ich die Lektüre mit dem Nachwort von
Ursula Steinhaussen. Darin verblüffte mich die Tatsache, dass sich ein
Redakteur, Fred Hildenbrandt, die Mühe machte, zu einem kleinen Beitrag
einer Anfängerin eine Beurteilung zu schreiben, verblüffte mich auch
die echte Begeisterung in seinem liebevollen Schreiben. Natürlich las ich
die Geschichte "Über Sonntag" daraufhin zuerst. Das
Verblüfftsein nahm kein Ende: Ich kam zu dem Schluss, ich hätte an
seiner Stelle die von mir als übertrieben vermutete Zustimmung zur Arbeit
Elfriede Brünings wahrscheinlich noch überboten…
An eine Anfängerin wagt man gar nicht zu denken, wenn man die einfache
Ursprünglichkeit der Schreibweise und der Erfindung von Bildern in einer
professionellen Bauweise ausgeübt sieht. Die Lokalspitzen-Schreiber waren
ja oft recht gut. Aber diese Spitze ragt über das Gute hinaus. Eigenwillig
und originell im besten Sinn beider Wörter sind die Formulierungen. Das
beginnt mit dem ersten Satz, wo eine übliche Naturdarstellung durch das
Wort "schielte" zu unüblicher wird und die Verbindung mit dem
Wort "schmal" die Originalität verstärkt. Dann gleich als
Markenzeichen der E.B. für alles Folgende: die knappen Sätze, die
rasch die ganze Situation bildhaft werden lassen. Dann dieses Geschick, die
Wellen nicht rauschen, strömen, plätschern oder sonstwas zu lassen,
sondern eine aktive Darstellung zu geben: Schieben die Wellen hinter uns.
Darauf muss man erst mal kommen! Das Originale des Bildbeschreibens steigert
sich so, dass ich den Satz in einer Literaturschule vorführen möchte,
durch den zweiten Halbsatz: "...graben mit dem Heck eine verwehende
Furche." Da überragt Ungewöhnliches durch seine schlichte
Zutreffendheit nicht nur die üblichen Mensch/Natur-Sätze, sondern
auch die Erkrampfungen moderner Dichter. Das steht so da, als könnten ich,
Frau Müller und Herr Lehmann es gesagt haben, und macht doch erkennbar:
die alle hätten es nicht gesagt. Beim nächsten Bild freilich werde
ich unsicher, frage mich, warum ich nicht zu sehen vermag, wie ein Wald sich
"hinten zurückbiegt", jedoch "uns entgegen". Auch das
Verstehen von "tritt näher" ist mir durch das vorhergehende
"hinten" versperrt. Ohne das wäre ich wiederum voll Bewunderung
für die lapidare Zeichnung für einen Wald: "tritt näher,
liegt da." Ohne jeden Sums dann plötzlich: "Der Mann, mit dem
ich hier bin..." Das ist einfach großartig. Dann zu enger heimischer
Himmel, Stern, Mond, das milliardenfach Beschriebene ganz neu, ganz einfach.
Die Schreiberin möchte man küssen für "wenn ich Glück
habe, steht ein Stern drin." Dann wieder diese einmalige
unumständliche Art in dem spontanen "Dann kommt Nachbarschaft"
und in deren folgender Beschreibung; diese ans Herz gehende Lakonie:
"… da hat mans Lachen abgestreift". Und so weiter und so fort.
Ein Lehrstück von einer Anfängerin.
Von allem hier einzeln Erwähnten erhält man im ganzen Buch immer
wieder reichlich Beweise. Die kurzen unmissverständlichen
Charakterstriche, die präzisen Landschaftseindrücke, die genau auf
den Zustand und die Sache zielenden Formulierungen. Sätze wie Skizzen und
doch Gravuren.
So schwer es mir fiel, das Lesen in meine Zeit einzubauen, so froh bin ich,
dieses Buch gelesen zu haben. Diese Art, Tatsächliches schriftstellerisch
zu zeichnen, hat mir weit mehr gegeben als mir im allgemeinen Fiktion, auch
realistische, gibt. Ich danke E.B. dafür, mir diese Lektüre geboten
zu haben.
Horst Heitzenröther, Berlin 17. November 2003
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