"Berühmt und berüchtigt" heißt der Untertitel eines Kapitels des
Jubiläumsbuches "Damit Talente Sieger werden". Rechtzeitig
zum 50-jährigen Bestehen der Sportschule "Friedrich Ludwig Jahn"
erschien jetzt erstmals ein Buch zur Geschichte dieser heute in Potsdam beheimateten
Schule. Diese außergewöhnliche Lehreinrichtung ist nicht nur in der
Stadt Brandenburg aus der Taufe gehoben worden, sie hatte hier auch 25 Jahre lang ihren Sitz.
Hauptautor des Buches ist der Brandenburger Joachim Boelcke, der 30 Jahre lang
an dieser Schule lehrte. Somit war er bei den Anfängen auf fremde
Erinnerungen und auf Archive angewiesen. Das Geburtsdatum ist eindeutig. Das
Ministerium für Volksbildung ordnete am 29. August 1952 die Gründung
einer Sportschule in der Stadt Brandenburg an. Die Anfänge waren damals
eher bescheiden. Vorerst wurde nur der Sportunterricht in der Jahn-Schule
in der Franz-Ziegler-Straße, hier sitzt heute das Von-Saldern-Gymnasium,
um mehrere Wochenstunden erweitert.
Nach zwei Jahren wurden die oberen Klassen der Sportschule Luckenwalde nach
Brandenburg verlegt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stand die Frage nach
einem Internat für die auswärtigen Schüler. Die Jungen bezogen
den Boden der einstigen Doppelgemeindeschule und die Mädchen kamen in
Herbergen unter. Da ein Schulneubau zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch
nicht absehbar war, zog die Kinder- und Jugendsportschule im Jahre 1956 in das
ehemalige Konstruktionsgebäude der Arado-Flugzeugwerke in der heutigen
Caasmannstraße. Damals ein Trümmerhaufen mit diversen Schäden
und natürlich ohne eine einzige Sportanlage.
Neben Unterricht und Training standen auch Aufräumungsarbeiten sowie die
Schaffung von Sportanlagen auf dem Programm. Hauptprojekt war der Ausbau eines
alten Maschinenhauses zu einer Sporthalle. Beheizt wurde die Halle anfangs mit
Hilfe einer alten Dampflokomotive. Nach und nach entstanden ein Werferplatz,
ein Turnkeller und sogar ein Keller für die Leichtathletik mit einer
Sandgrube für den Weitsprung. Im Jahre 1958 begann die Brandenburger
Firma Lubitz mit dem Bau des Sportplatzes.
Schüler mit Westverwandtschaft oder aber mit Republikflüchtigen in der
Familie hatten keine Chance auf Aufnahme in diese Schule. Geachtet wurde immer
darauf, dass mindestens 50 Prozent aller Aufnahmen Arbeiter- und Bauernkinder
waren. Schnell hatten sich die Sportarten Schwimmen, Turnen, Leichtathletik
und Moderner Fünfkampf herauskristallisiert. 1964 kam das Rudern hinzu.
Im Jahr darauf wurde dann auch gepaddelt. Sieben Schüler fuhren 1972 zu
den Olympischen Spielen nach München.
Ab dem Jahre 1974 gab es bereits einen Schulteil in Potsdam. Das war der Anfang
vom Ende für den Schulstandort in Brandenburg.
Das Buch beschreibt natürlich auch die Potsdamer Jahre sehr
ausführlich und enthält auch eine Liste aller Weltmeister und
Olympiasieger der Schule. Den Anfang als Weltmeisterin machte 1973 die Kanutin
Petra Borzym. Sechs Jahre später taucht auch Birgit Fischer erstmals in
den Annalen auf. Die Statistik besagt, dass 62 ehemalige Schüler bisher
108 olympische Medaillen gewonnen haben.
Marcus Alert, Märkische Allgemeine Zeitung 20.11.02
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